die friedhofs-situation
es war der letzte wintertag dieses jahres, als ich mich gut gelaunt mit meikel zum kaffee traf. die eigentlich geplante verabredung mit boris erledigte sich von selbst, weil boris nicht arbeitete und somit auch nicht den weg in dern prenzlauer berg antrat. deswegen stapften meikel und ich erst durch den tiefen schnee im volkspark friedrichshain, erfeuten uns an den anderen, auf dem eis herumschlitternden menschen und erkannten, dass die welt wunderschön ist. die spätere einladung, auf einen tee und einen becherovka zu ihm zu gehen, nahm ich, durchgefroren wie ich war, nur zu gern an.
meikel wohnt am unteren ende der prenzlauer allee. um den weg zum wärmenden getränk und dem platz an seinem bollerofen abzukürzen schlug er vor, über den friedhof zu gehen. das tor an der greifswalder straße, wo wir uns befanden, stand offen, ein schild wies darauf hin, dass der freidhof um 18 uhr geschlossen wird. in fünf minuten dieses riesenareal zu durchqueren ist bei schnee und bergauf und einer unsportlichkeit, wie wir beide sie an den tag legen schier unmöglich. so kam es auch, dass das tor an der prenzlauer allee, aus dem wir herauszutreten gedacht hatten, verschlossen war. auch alle anderen tore waren bereits dem schließer und seinen schlüsseln zum opfer gefallen, und so war es zehn nach sechs uhr abends an einem sonntag und wir waren auf dem friedhof eingeschlossen.
es gibt sicherlich nettere plätze an denen man sich wünscht eingesperrt zu sein. und mit sicherheit gibt es auch anständige und dazu passende jahreszeiten. mit klettern war nicht viel, sind die friedhofsmauern doch etwa dreimeterfünfzig hoch und dort wo keine mauern sind, befinden sich eisenzäune mit spitzen in etwa der gleichen höhe.
aus dem lachen kam ich erstmal nicht heraus, passiert mir doch immer solch ein absurder mist. die ersten telefonanrufsversuche bei der friedhofsverwaltung scheiterten, weil lediglich eine stimme auf der mailbox antwortete und das hinterlassen einer nachricht verlangte. weil mir nichts anderes einfiel und ich ungern, da nicht passend angezogen, auf dem friedhof übernachten wollte, rief ich die polizei an. der freund und helfer würde schon wissen was zu tun ist.
der mann, der meinen anruf in der zentrale annahm, lachte sich krank und ich musste ihm mehrmals versichern, dass ich mir weiß gott (haha) keinen scherz erlaube, sondern dass wir tatsächlich eingesperrt seien und dringend hilfe benötigen. er sagte dann, dass er versuche eine streife vorbei zu schicken und wünschte uns noch "viel glück". wir sollten uns mal in der nähe des eingangstores aufhalten.
während wir uns also in warteposition am eisentor an der greifswalder straße postierten, bekam ich zum ersten mal in meinem leben das gefühl, wie sich tiere im zoo wohl fühlen müssen. genug leute waren um diese uhrzeit noch unterwegs und die, die uns nicht nur dumm oder ungläubig anstarrten fragten immer wieder: "sind sie eingeschlossen?" es gab wohl noch keinen tag, an dem ich die selbe bescheuerte frage so oft mit "ja" beantwortet habe. manche fragten nicht nur blöd, sondern boten uns auch hilfe an, auch wenn sie selbst nicht wussten, wie diese wohl auszusehen hätte. ein mann schenkte uns schokolade, damit wir nicht verhungern und entschuldigte sich auch noch, als würde er die schuld an unserer dummheit tragen. eine alte frau bot sogar an, uns einen "tee zu brühen, ich wohne gleich um die ecke". voller tatendrang stapfte sie dann auch los, obwohl wir ihr mehr als einmal zu versichern versuchten, dass die polizei mit sicherheit gleich käme. und wie murphy es wollte, fuhr auch schon eine wanne mit zwei polizisten vor, sobald sie um die ecke verschwunden war.
endlich konnte ich mir auch mein lachen verkneifen, die polizisten sollten schließlich nicht denken, wir hätten das mit absicht gemacht. und polizist eins legte auch sofort los: "nabend. also, es gibt zwei möglichkeiten: entweder wir lassen die feuerwehr kommen, die öffnen das schloss und sie tragen dann die kosten oder sie klettern irgendwo rüber." nachdem möglichkeit eins schonmal wegfiel versuchten wir dem mann glaubhaft zu machen, dass wir ja nicht doof seinen und durchaus versucht hätten uns selbst zu befreien. "ach, hier muss man doch irgendwo rüberklettern können", sprachs und lief längs am zaun lang. nach etwa 50 metern brüllte er: "so, hier können sie rüber."
meikel kletterte zuerst, ich hinterher. und es ging tatsächlich einfacher, als ich erwartet hatte. auch wenn der zaun verdammt hoch war und ich bekanntermaßen unter höhenangst leide. aber der polizist sagte nur: "höhenangst, na junge frau, davon seh ick ja jarnüscht, sie klettern ja wie ne junge gazelle." das machte mich so wütend, dass ich die guten ratschläge, wo ich denn als nächstes meinen fuß hinzusetzen hätte, geflissentlich ignorierte, mir die schulter des polizisten schnappte und aus etwa anderthalb metern höhe vom zaun hopste, gazellen können das ja, näch?
mein schrei, zehntelsekunden später bewies das gegenteil. ich war mit dem rechten fuß so blöd aufgekommen, dass ich umknickte und nicht mehr auftreten konnte. der folgende dialog war: "treten sie auf!" – "ich kann nicht!" – "treten sie auf!" – "aaah, ich kann nicht!" – "sie müssen auftreten!!!" – "ich kann aber nicht!!!" – "müssen wir erst noch einen rettungswagen kommen lassen?" – "aaahh, nee geht schon, aua, aua."
und dann kam die frau, die uns tee machen wollte und sagte: "ach, jetzt sind sie ja schon befreit. ich hab eben nochmal geschaut, da vorn ist ein loch im zaun. falls ihnen das nochmal passiert, wissen sie ja jetzt bescheid"
0 Comments:
Post a Comment
<< Home